Rosenpracht

Rosenpracht. Ölgemälde auf Leinwand von Gabriele Koenigs (2023). 70 cm x 50 cm.
Rosenpracht. Ölgemälde auf Leinwand von Gabriele Koenigs (2023). 70 cm x 50 cm.

Am Dom von Hildesheim steht seit dem Mittelalter ein Rosenstrauch. Mönche hatten sie in den Klostergarten gepflanzt und immer gut gepflegt. Die Hagebutten wurden in der Heilkunde gerne verwendet. Rosen gehörten in jeden Klostergarten. Als Hildesheim im März 1945 bombardiert wurde, brannte der Dom aus. Und auch der Klostergarten mit seinem Rosenstrauch wurde zerstört. Welch ein trauriger Anblick muss das gewesen sein, als alles in Schutt und Asche lag.

Mitten zwischen den Trümmern trieb die Rose im Frühjahr 1945 neue Triebe, 12 an der Zahl. Wer hat sie wohl entdeckt? Die Menschen hatten damals anderes im Sinn als Rosen und Gärten. Woher bekommen wir Essen? Was ist mit den Männern? Werden sie aus Krieg und Gefangenschaft zurückkommen? Wo finden wir ein Dach über dem Kopf? Und wie geht es weiter mit unserer Familie, unserem Land? Haben wir noch Zukunft?

 

Die Rosenranken suchten ihren Weg zwischen den Trümmersteinen. Sie trieben Blättchen und Blüten. Der Duft verströmte sich. Hier und da blickte jemand auf und sah die Blüten. Hier und da zeigte jemand mit dem Finger darauf und sagte: „Schau mal, die Rose blüht wieder!“ Manche gingen näher hin und bestaunten das Wunder. Manche zählten die Triebe. Jemand gab ihnen eine Stütze. Jemand gab ihnen Wasser. „Es gibt jetzt wahrlich Wichtigeres zu tun“, dachten manche. Andere nahmen die Rose als Zeichen und waren dankbar dafür.

 

Die Rose ist ein Sinnbild für Erneuerung und für Lebenswillen. Aus den Wurzeln treibt sie immer wieder neue Ranken empor.

 

Wir haben in unserem Garten auch einige Rosensträucher. Manche begleiten uns schon seit vielen Jahren und sind sogar mit uns zusammen umgezogen. Mein Mann hat zum vierzigsten Geburtstag eine besonders gut duftende Strauchrose bekommen. Damals hatten wir noch einen großen Pfarrgarten, in dem sie einen prominenten Platz bekam. Als wir zehn Jahre später eine neue Stelle antraten, nahmen wir sie mit. Wir hingen an ihr. In dem kleinen Häuschen in Zavelstein hatten wir anfangs nur einen winzigen Garten. Dort pflanzten wir sie ein. Allerdings hatte sie keinen guten Platz. Ein alter Holunderstrauch aus Nachbars Garten streckte jeden Sommer seine Zweige über unsere Rose und beschattete sie. Rosen brauchen viel Licht. So trieb sie jedes Jahr nur wenige Blüten und die Blätter wurden schnell krank. Aber immerhin: Sie hat durchgehalten und ist weiter gewachsen. Der Holunderstrauch war schon sehr alt. Jedes Jahr brachen Zweige ab. Sein Blätterdach schloss nicht mehr so dicht. Aber die Nachbarin hat immer noch gerne die Blüten geerntet und Sirup daraus gekocht. Sie hat uns erlaubt, dass wir die dürren Zweige jeweils abschneiden durften, um unserer Rose ein wenig mehr Licht zu verschaffen. Inzwischen ist der Holunderstrauch ganz dürr geworden. Die Nachbarn haben ihn jetzt abgesägt. Und nun entfaltet sich unsere Rose in voller Pracht. Noch nie hatte sie so viel Platz und so viel Licht. Nun zeigt sie, was sie kann und erfreut uns Tag für Tag.

 

Rosen haben für viele Menschen eine tiefe Bedeutung. An besonderen Tagen schenken wir jemandem einen Rosenstrauß, und das heißt etwas. In besonderen Zeiten schneiden wir Rosen ab und stellen sie uns in eine Vase. Gestern habe ich von unserem Rosenstrauch einen großen Strauß abgeschnitten und in das Wohnzimmer gestellt. Denn vor 40 Jahren haben wir standesamtlich geheiratet. Drei Tage später war die kirchliche Hochzeit. Dankbar denken wir daran zurück. Wir erinnern uns an diejenigen, die mit uns gefeiert haben und als Wegbegleiter zu unserem Leben gehörten und gehören. Dankbar denken wir an unsere vielen Ehejahre zurück und sind froh, immer noch beieinander sein zu dürfen. Und eines ist ganz deutlich: Unsere Liebe ist tiefer und reifer geworden als damals, als wir unsere Hochzeit feierten. Und sie hat sich immer wieder erneuert, so wie die Rose es tut.

 

Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche

Gabriele Koenigs

 

  


Mir ist zum Danken zumute. Darum finden Sie hier ein feierliches Danklied aus dem Evangelischen Gesangbuch (Nr. 333). Haben Sie Lust zum Mitsingen, oder einfach nur zum Anhören? Viel Freude dabei! 

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Nun ist es gar nicht mehr lang bis zu meiner Ausstellung. Ich freue mich sehr, wenn ich einige von Ihnen und von Euch in Balingen begrüßen darf.