Ich stehe mit einer Besucherin vor diesem Bild. Sie hat mich gebeten, die Geschichte dazu zu erzählen. Ich erzähle ihr von der Frau, deren Mann so plötzlich gestorben ist. Sie ist in tiefer Trauer. Eine andere Besucherin kommt hinzu. "Das ist so wie bei mir", sagt sie. "Mein Mann ist schon vor 3 Jahren gestorben. Er fehlt mir immer noch so sehr. Äußerlich gesehen geht es mir gut. Die Leute denken, dass ich drüber hinweg bin. Es gibt Tage, an denen es mir richtig gut geht. Aber der Schmerz ist immer noch in mir. Vielleicht wird er für immer bleiben." Wir hören ihr zu. Dann erzähle ich weiter von der Frau auf meinem Bild. "Sie ist eine fromme Frau", sage ich. "Sie singt im Kirchenchor. Die Lieder trösten sie sehr. Und sie ist gerne in Gesellschaft." Die Besucherin erzählt: "Ich habe letztes Jahr bei einem Singprojekt mitgemacht. Wir haben eine Komposition von Christoph Zehender gesungen. Das hat mir so gut getan. Ich habe ganz viel dabei verarbeitet."
Die Balinger Kirche ist sehr groß. Immer sind Leute drinnen. Manche halten sich in den Bänken auf, beten oder ruhen sich aus. Andere gehen umher. An einer Seite ist eine Art "Klagemauer" gebaut. Viele zünden dort Kerzen an und schreiben Zettel mit ihren Gebeten und stecken sie in die Steine hinein. Manche blättern in meinen Büchern und lesen ein wenig. Meine Freundin Gudrun sitzt am E-Piano und spielt leise. Sie hat ein unerschöpfliches Repertoire von Liedern. Kirchenlieder, Volkslieder, Gospel. Sie spielt, was ihr gerade in den Sinn kommt. Und oft spielt sie, was Besucherinnen oder Besucher sich wünschen. Immer wieder sammeln sich ein paar Leute bei ihr am E-Piano und singen etwas zusammen. So ist es auch an diesem Nachmittag. Nachdem wir genügend über das Bild gesprochen haben, stellen wir uns zu Gudrun. Wir singen: "Von guten Mächten wunderbar geborgen..." und "Nichts soll dich ängsten, nichts soll dich quälen..." Manche in den Bänken summen mit. Manche applaudieren, nachdem wir fertig sind. Der Gesang in der Kirche tut ihnen gut.
Ich bin glücklich über die Begegnungen, die sich ereignen. Ich bin glücklich, dass manche ihr Herz öffnen und etwas von sich erzählen und auf die Bilder reagieren. Ich bin glücklich, dass ich bei den Führungen von meinem Weg erzählen kann. Ich bin glücklich, dass ich in der Kirche anwesend sein kann, mitten zwischen meinen Bildern. Ich bin glücklich, dass immer wieder jemand kommt, den oder die ich kenne. Manche nehmen einen weiten Weg auf sich, um die Ausstellung zu sehen und mich zu treffen. Wir nehmen einander in den Arm und erzählen einander davon, wie es uns geht. Wir tauchen ein in die Freude des Wiedersehens.
Freude und Tränen, Fragen und Zuspruch, alles hat hier seinen Raum. Gott nimmt uns an, mit allem, was in uns ist. Das ist hier so deutlich zu spüren. Und es ist gar nicht schwer, dass wir auch einander annehmen. Hier in der Kirche üben wir es.
Es ist jeden Sommer der Höhepunkt meines Jahres, wenn ich mit meinen Bildern in einer Kirche sein kann. Jedes Jahr bedeutet es mir mehr. Und jedes Jahr spüre ich deutlicher: Ein solches großes Projekt kann ich gar nicht alleine bewältigen. Ich bin dankbar für meine Freundinnen und Freunde und meinen lieben Mann, die mir dabei helfen. Zusammen erschaffen wir diese besondere Erfahrung von Kirche.
Ich bin noch eine ganze Woche in Balingen. Ich bin gespannt, was sich in diesen letzten Tagen ereignen wird und wer noch hineinkommt.
Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche
Gabriele Koenigs
Hier hören Sie guten Zuspruch, gesprochen vom verstorbenen Erzbischof Desmond Tutu und anderen Sprechern, so herzbewegend! Leider gibt es das bisher nur in englischer Sprache.
Dies sind Botschaften, die ich mir selbst zu Herzen nehme und die ich mit meinen Bildern und Geschichten weitergeben möchte.