Steht auch mir zur Seite...

 

 

Als ich ein kleines Mädchen war, kam an Weihnachten das Christkind. Ich habe es nie gesehen. Aber meine Eltern sagten am Heiligabend: „Das Christkind ist dagewesen!“ Zu gerne hätte ich das Christkind einmal gesehen. Aber es war strengstens verboten, in das Weihnachtszimmer hineinzugehen. Sogar das Schlüsselloch wurde zugehängt. „Das Christkind will unsichtbar bleiben“, hörte ich irgendwoher. Ich machte mir meinen Reim darauf. Vielleicht ist es so schüchtern wie ich es bin? Ich war damals ein sehr schüchternes und stilles Mädchen. Manchmal war stundenlang kein Mucks von mir zu hören. Ich wollte niemanden stören. Und ich wollte auch keinen Ärger bekommen. Am besten war es, mich unsichtbar zu machen. Ich stellte mir das Christkind wie ein kleines Mädchen vor. Meine Großmutter lehrte mich das Lied: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo die Menschen sind.“ Sie sang es mir vor und sie sagte es mir vor, bis ich es konnte. Sie lehrte mich natürlich alle Verse. Den dritten mochte ich besonders: „Steht auch mir zur Seite, still und unerkannt, dass es treu mich leite an der lieben Hand.“  

 

Mein Großvater klärte mich eines Tages auf, dass es sich bei dem Christkind um einen kleinen Jungen handelte. „Jesus ist das Christuskind“, sagte er. „An Weihnachten feiern wir seine Geburt.“ „Er ist gekommen, um uns alle zu erlösen.“ Er sprach vom Christuskind mit größter Hochachtung. Eines Tages durfte ich ihm helfen, die Weihnachtskrippe aufzubauen. Er hatte kostbare geschnitzte Figuren aus dem Erzgebirge. Er nahm jede Figur aus der Schachtel, wischte sie feucht ab und kontrollierte, ob auch alles noch in Ordnung war. Als er das Christuskind abgewischt hatte, sagte er zu mir: „Das ist eigentlich seltsam. Christus ist gekommen, um uns von unseren Sünden zu reinigen. Und ich reinige diese Figur. Aber dies ist ja nur eine Figur. Christus ist viel, viel mehr! Er ist der Allerhöchste“. Ich spürte seinen Respekt vor Christus und seine Verehrung. Und ich spürte auch, dass ich nicht unbedingt meine kindlichen Gedanken vor ihm ausbreiten sollte. Mit dem Glauben war es für ihn eine sehr ernste Sache. Ich durfte auf keinen Fall etwas Falsches darüber sagen. Besser war es, ihm zuzuhören, wenn er sprach. Noch heute kann ich viele seiner Sätze wiederholen. Ich habe sie tief in mich aufgenommen.

 

Später machte ich mir meine eigenen Gedachten. Ich lernte die Geschichten aus der Bibel lesen und bedenken. Die Jesusgeschichten aus den Evangelien waren wir mir die wichtigsten Geschichten, und seine Worte waren mir die wichtigsten Worte. Ich war überzeugt: Er weiß alles über das Leben und über das Sterben. Und: Vor ihm brauche ich meine Gedanken nicht verbergen, selbst wenn sie manchmal noch so dumm und unbeholfen sind. Er nimmt mich an, bedingungslos. Er liebt mich so, wie ich bin. 

 

Meine Gedanken und Worte sind immer noch oft unbeholfen. Ich komme leicht ins Stottern, wenn ich meinen Glauben in Worte fassen soll. Ich spüre die Grenzen meiner Vernunft. Jesus Christus ist viel größer als das, was ich denken und erfassen kann. Er ist uns allen weit voraus. Seine Worte geben uns Rätsel auf, solange wir leben. Und sie geben uns Orientierung, solange wir leben. Beides zugleich. Er hat unendliche Kraft. Und er ist sanft. Beides zugleich. Er hat Weibliches in sich und Männliches. Beides zugleich. Er ist den Lebenden nahe und denen, die uns vorausgegangen sind. Er liebt uns tiefer als irgendein Mensch das kann. Wer könnte das jemals wirklich verstehen?

 

„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind“, sagt das alte Kinderlied. So sehr ich dieses Lied mag, ist es doch an einem Punkt daneben. Jesus kommt nicht nur einmal im Jahr, am Heiligabend. Er ist immer mit seiner Liebe und seinem Wort um uns. Wir dürfen uns ihm anvertrauen an jedem Tag des Jahres und in jeder Nacht. Auch jetzt mitten in dem großen Schlamassel. Wir brauchen ihn jetzt ganz besonders.

 

Ich wünsche Ihnen allen und Euch allen einen gesegneten Heiligabend. Er wird viel stiller sein als sonst.  Vielleicht kann uns Christus gerade in dieser Stille neu begegnen? Halten wir uns dafür bereit.

 

Stille Nacht, heilige Nacht…

 

Frohe Weihnachten! 

 

Gabriele Koenigs  

 

 

 

 

 


Hier kommt ein besonderes Weihnachtsgeschenk von der Musikgruppe Luz amoi aus Bayern. Sie haben ein Weihnachtskonzert im leeren Dom zu Freising für uns aufgenommen. Es ist einfach wunderbar: Volkslieder und Kirchenlieder, andächtig und zugleich frisch musiziert, und dazu sehr gute Texte. Völlig ohne Kitsch, und einfach ein Genuß zum Anhören! Sie fangen mit dem Lied "Alle Jahre wieder...." an. Viel Freude damit!!!!! 

 

 

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