Warum ist Jesus gestorben? Wer ist daran schuld? War es Judas, der seinen Freund verraten hat? War es Pilatus, der das Urteil gesprochen hat? Waren es die Soldaten, die die grausame Hinrichtung vollzogen haben? Waren es die Hohepriester und Schriftgelehrten? War es die Volksmenge, die sich hinreißen ließ zu dem Ruf: "Kreuziget ihn..."? Alle waren verwickelt in dieses Geschehen.
Im Mittelalter lehrten christliche Prediger: "Die Juden sind schuld am Tod Jesu." Sie hetzten die Gläubigen zu den Kreuzzügen auf. Wenn die Pest ausbrach, wurden dafür auch Schuldige gesucht. Juden hatten angeblich die Brunnen vergiftet. Man rächte sich mit Gewalttaten unvorstellbaren Ausmaßes.
Die Frage nach der Schuld wurde in der christlichen Theologie auch auf ganz andere Weise beantwortet. "Ich bin schuld, o Herr." "Meine Sünden haben dich geschlagen...." Die Kirchenlieder für die Passionszeit sind voll von solchen Aussagen. Es fiel mir immer schon sehr schwer, diese Lieder zu singen. Wieviel Selbstverachtung und Selbstanklage steckt darinnen! Sie ist nicht minder destruktiv, als die Verachtung gegen andere zu richten. Wenn ich tatsächlich so eine schlimme Sünderin bin, dass Jesus wegen mir hat sterben müssen, dann kann ich mich selbst doch unmöglich lieben. Bin ich denn wirklich so schlimm, so durch und durch verdorben und verloren? Ich habe mich selten getraut, diese Fragen auszusprechen. Aber sie waren immer in mir, schon von Kind auf. Sie sind auch in vielen anderen Menschen.
Die ältesten christlichen Bekenntnisse sagen ganz knapp: Jesus ist für euch gestorben und auferstanden. Oder: Um euretwillen gestorben und erstanden. Kurz und knapp. Dorthin möchte ich zurück. Und ich finde viel weitere Deutungen darin. Für euch. Das muss nicht heißen: Ihr seid schuld. Das kann auch heißen: Euch zuliebe. In diese Richtung möchte ich weiterdenken.
Mir zuliebe. Euch zuliebe. Uns zuliebe. Er hat uns einen Weg gebahnt. Er ist uns vorausgegangen durch die Nacht des Todes. Wir brauchen uns nicht mehr zu fürchten. Er kennt den Weg durch den Tod in das ewige Leben. Wir dürfen ihm folgen. Er zeigt uns den Weg. Und wir gehen, Schritt für Schritt. Wir kommen am Tod nicht vorbei. Früher oder später müssen wir da auch hindurch. Aber er steht uns bei. Das ist meine Hoffnung.
Die Frage nach der Schuld führt uns nicht weiter. Die Frage nach der Hoffnung zeigt uns eine bessere Richtung. Auch jetzt in der großen Krise.
Ich wünsche Ihnen allen und Euch allen einen guten Tag.
Gabriele Koenigs
Hier ist ein Lied aus der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé:
" Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke, mein Licht.
Christus, meine Zuversicht
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht."
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