Gestern habe ich wieder einen langen Sonntagsspaziergang mit meinem Mann gemacht. Es war herrlich. Wir sind einen Weg gegangen, den wir noch nie gegangen sind. Wir sind in einer Schlucht gewandert, die wir noch gar nicht kannten. Dabei ist sie nur einen Katzensprung von unsrem Wohnort entfernt. Wir hatten uns gar keinen festen Plan gemacht, wohin wir wollen. An den jeweiligen Wegkreuzungen haben wir entschieden, wohin es uns zieht. Und wir hatten wieder ein gutes Picknick dabei.
Wir sind erstaunlich vielen Leuten im Wald begegnet. Jüngere, Ältere, Einzelne, Familien, Paare: alles war auf den Beinen. Es tut so gut, nach draußen zu gehen. Anscheinend merken das jetzt viele. Den Körper in Schwung bringen, den Kopf durchlüften lassen, beim Gehen aussprechen, was einen bewegt und dann auch wieder schweigen. Spazierengehen beruhigt und belebt zugleich.
Ich nehme wahr, was um mich herum geschieht. Die Bäume sind nun voll von frischen grünen Blättern. Die Heidelbeeren und die Walderdbeeren fangen an zu blühen. Die Wiesen sind voller Löwenzahn. Die ersten Löwenzahnblüten haben sich schon zur Pusteblume verwandelt. Der Himmel ist so blau wie ich ihn noch nie zuvor gesehen habe. Es sind keine Kondensstreifen von Flugzeugen zu sehen. Das Blau hat einen anderen Farbton als in den letzten Jahren. Vögel ziehen ihre weiten Kreise am Himmel. Und das Vogelkonzert ist reichhaltiger als ich es je gehört habe. Ob es mehr Vögel sind als in anderen Jahren? Oder ob wir besser hinhören?
Eine Freundin schickte mir ein Foto von einem Kreuz, das völlig in einen Baum eingewachsen ist. Sie hat es unterwegs gefunden. Obwohl sie diesen Weg schon oft gegangen ist, ist es ihr gerade jetzt erst aufgefallen.
Unsere Wahrnehmung wird feiner, wenn die vielen Zerstreuungen wegfallen. Unsere Wahrnehmung wird offener durch die Verlangsamung. Das Leben berührt uns tiefer als zuvor. Das ist etwas Heilsames in dieser Zeit. Eine sanfte Verwandlung geschieht - an uns und an der Natur.
Spätestens am nächsten Sonntag werde ich wieder spazieren gehen. Ich freue mich jetzt schon darauf.
Ich wünsche Ihnen allen und Euch allen einen guten Tag.
Gabriele Koenigs
Der Rundfunkchor des MDR singt "Geh aus mein Herz und suche Freud..."
Viel Freude beim Anhören und Mitsingen!
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