Jeden Tag etwas Neues

unerschöpflich. Aquarell von Gabriele Koenigs (2018). Privatbesitz
unerschöpflich. Aquarell von Gabriele Koenigs (2018). Privatbesitz

Das Leben ist nun ziemlich eintönig geworden. Normalerweise gibt es mehr Abwechslung. Wir fahren mal hierhin, mal dorthin. Wir machen Besuche und bekommen Besuch. Wir gehen mal ins Kino oder ins Theater. Wir belegen Kurse und gehen zu Veranstaltungen. Weil das alles gerade nicht geht, fühlt sich das Leben allmählich ziemlich eintönig an. Und doch: Es ist Leben! Vergessen wir das nicht. Wir haben genug zu essen. Strom und Wasser sind da. Das Internet läuft. Radio und Fernsehen und Telefon funktionieren. Wir können hinaus, spazieren und wandern und das Nötige einkaufen. Und wir erleben den Frühling. 

 

Für unsere Vorfahren war das Leben viel eintöniger und viel mühsamer als für uns. Jeder Eimer Wasser musste vom Brunnen geholt werden. Jedes Kleidungsstück musste von Hand gewaschen werden. Beim Essen gab es lange nicht so viel Auswahl wie heute. Die Leute aßen, was sie auf ihren Feldern geerntet hatten. In manchen Jahren war es sehr wenig. Und sie hatten viel schlechtere Gesundheitsversorgung. Sie hatten viel weniger Stress. Aber sie hatten viel mehr Arbeit und viel weniger Abwechslung als wir. Ihr Radius war kleiner. Sie konnten keine Reisen unternehmen. In der Hauptsache brachten die Jahreszeiten die Abwechslung.

 

Frühling fühlt sich ganz anders an als Winter. Die Welt hat andere Farben als noch vor ein paar Wochen. Jetzt ist Zeit für Aussaat. Jetzt ist Zeit zum Pflanzen. Und jetzt ist Zeit, täglich die neuen Blüten zu begrüßen. Gestern habe ich gesehen, dass die Erdbeeren blühen. Welch eine Freude! Und ich hole allmählich die dünneren Kleidungsstücke und die leichteren Schuhe hervor. Ich spüre die Sonnenwärme auf meiner Haut. Ich sehe, dass wieder viele Bienen unterwegs sind. Ein Milan zieht seine Kreise über unserem Städtchen. Eigentlich gibt es jeden Tag etwas Neues zu sehen. Ab und zu treffe ich mal jemand draußen zu einem Schwatz. Schon für solche Abwechslungen bin ich jetzt dankbar.

 

Manche liegen jetzt im Krankenhaus und ringen nach Atem. Sie wären froh, wenn der Atem wieder gleichmäßig ginge. Manche arbeiten im Krankenhaus und wissen gar nicht mehr, wie sie fertig werden sollen und wo ihnen der Kopf steht. Sie wären froh, wenn sie mal ein paar Tage zum Ausruhen hätten. Manche leben auf der Straße und wären froh, wenn sie jeden Tag etwas zum Essen hätten. Manche sind auf der Flucht und wissen nicht wohin. Dagegen haben wir es sehr, sehr gut. Vergessen wir das nicht! Wir jammern auf hohem Niveau. Wir waren und sind sehr verwöhnt. Vielleicht müssen wir eine solche Zeit durchleben, um das zu erkennen. Vielleicht müssen wir eine solche Zeit durchleben, um dankbarer und solidarischer zu werden. Vielleicht müssen wir jetzt wirklich in uns gehen. Das wird uns ganz bestimmt nicht schaden. Ganz im Gegenteil: Hier können wir aus der Quelle schöpfen. 

 

Ich wünsche Ihnen allen und euch allen einen guten Tag.

Gabriele Koenigs  

 

 

 

 

Ich habe ein altes Spiritual aus Amerika gefunden. Es spricht von den "simple gifts", den "einfachen Geschenken". Hier ist eine wunderschöne Aufnahme dieses Liedes, gesungen von dem Männerchor "cantus" . Und der Liedtext dazu in englisch.

 

Joseph Brackett (1797 - 1882)

Shaker dancing song

 

'Tis the gift to be simple, 'tis the gift to be free

'Tis the gift to come down where we ought to be,

And when we find ourselves in the place just right,

'Twill be in the valley of love and delight.

When true simplicity is gain'd,

To bow and to bend we shan't be asham'd,

To turn, turn will be our delight,

Till by turning, turning we come 'round right.

 

Later, additional or alternative verses:

'Tis the gift to be loved and that love to return,'

Tis the gift to be taught and a richer gift to learn,

And when we expect of others what we try to live each day,

Then we'll all live together and we'll all learn to say,'

Tis the gift to have friends and a true friend to be,'

Tis the gift to think of others not to only think of "me",

And when we hear what others really think and really feel,

Then we'll all live together with a love that is real.