Meine Lehrerin

Diana. Aquarell (2011).
Diana. Aquarell (2011).

Diana ist einer der Menschen, denen ich ganz viel verdanke. Vier Jahre lang war ich bei ihr in einer intensiven Seelsorgeausbildung. Wir haben uns ungefähr alle 2 Monate für ein Wochenende gesehen. Wir waren eine kleine Gruppe, ökumenisch zusammengesetzt. Es waren nicht nur Pfarrer. Wir hatten auch eine Schwester aus einer Kommunität dabei und eine Pfarrfrau, die in der Seelsorge tätig sind. Wir haben alle sehr viel gelernt - nicht nur für die Seelsorge, sondern auch für den Umgang mit uns selbst. 

 

Diana ist Amerikanerin, lebt aber seit vielen Jahren in Deutschland. Sie kam als junge Frau hierher. Ursprünglich war sie Hebamme. Hier wurde sie zur Psychotherapeutin. Über viele Jahre hat sie eine Praxis geführt. In ihren letzten Berufsjahren hat sie neben ihrer Praxis die Ausbildungsgruppen für Seelsorgerinnen und Seelsorger geleitet. Wir haben alle von ihrer großen Berufserfahrung und ihrem enormen Wissen profitiert. Und von der unglaublichen Ruhe und Klarheit, die in ihr war. 

 

Jedes von uns bekam die Möglichkeit, mit ihrer Hilfe etwas aus unserem Leben zu bearbeiten, womit wir Mühe hatten. Wenn jemand dran war, klärte sie am Anfang des Gesprächs das Anliegen: "Was möchtest du heute? Worum geht es dir?" Und: "Soll ich dir einfach nur zuhören? Oder möchtest du einen Rat?" Es war auch klar, dass die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt war. Jede_r hatte so ungefähr 40 Minuten für das Anliegen. Danach war es genug für heute. Diese Klarheit schuf einen guten, wohltuenden Rahmen. Man kam nicht vom Hundertsten ins Tausendste, sondern konzentrierte sich und blieb bei der Sache. Gegen Ende der Zeit fragte sie: "Wie ist es jetzt? Kommt eine Entscheidung bei dir in Sicht?" Tatsächlich war es oft so, dass wir eine Entscheidung trafen. "Ich werde einen Brief schreiben...." Oder: "Ich werde diesen Kontakt beenden..." Was es auch war: Die Klarheit, die durch ihr Nachfragen und Zuhören entstanden war, half uns, in dem Wust von Gefühlen und Gedanken einen Weg zu finden. 

 

In der Seelsorge geht es um das Innerste, nicht um irgendein Larifari. Oft kamen uns die Tränen, wenn wir über das sprachen, was uns bewegte. Und seltsam: Wir entschuldigten uns dafür. Den meisten war das peinlich. So ist es in unserer Gesellschaft, sogar bei Pfarrern und Schwestern: Man weint nicht. Das steckt tief in uns drin. Man gesteht sich nicht zu, die Fassung zu verlieren. Diana ging ganz anders damit um. "Lass die Tränen laufen", sagte sie. "Und vergiss nicht zu atmen...." "Tränen vergehen auch wieder...." Tatsächlich war es jedes mal so, dass der Tränenfluss nach einer Weile zur Ruhe kam. Ich habe damals die Angst vor den Tränen verloren. Ich habe gelernt, wie hilfreich es ist, dass sie fließen. Und ich habe gelernt, barmherzig mit Weinenden umzugehen. 

 

Wir begannen unsere Tage mit Meditation in der Stille. Auch dies geschah in großer Klarheit. Die Zeit wurde durch ein Zeichen mit der Klangschale begonnen und beendet. Niemand kam zu spät oder ging vor dem Ende. Aus der Stille kam die Klarheit, der Mut  und die Kraft - für Diana und für jedes von uns. 

 

Ich bin sehr dankbar für Diana und für alles, was ich von ihr gelernt habe. Es war eine gute Fügung, dass ich sie fand und die Möglichkeit bekam, an ihrer Ausbildungsgruppe teilzunehmen. In meinem Leben wird alles gut gefügt. Je älter ich werde, desto deutlicher sehe ich das. 

 

Ich hoffe, dass Sie in Ihrem Leben auch Menschen hatten wie Diana: Menschen, die Ihnen ein Vorbild waren und von denen Sie enorm viel gelernt haben. Behalten Sie sie im Gedächtnis. Schreiben Sie sich die Erinnerungen auf oder erzählen Sie von ihnen. Dadurch bleibt die Erinnerung wach und frisch. Dadurch würdigen Sie diese Menschen. Ohne sie wäre Ihr Leben ärmer gewesen, nicht wahr? 

 

Ich wünsche Ihnen und Euch allen einen guten Tag.

Gabriele Koenigs 

 

 

 

 

Hier singt der Kammerchor voces 8 das ergreifende Musikstück:  "Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir" aus dem Oratorium "Elias" von Mendelssohn. 

 

Viel Freude beim Anhören!!!! 

 

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Und nun kommt eine Ausstellung in Sicht. Ich freue mich sehr darauf. Danke an Dekanin Regine Klusmann und die evangelische Kirchengemeinde in Überlingen, die mich dazu eingeladen haben!