Von der Sehnsucht nach der Harmonie

Gebet wird Klang. Ölgemälde von Gabriele Koenigs (2020). 60 cm x 40 cm. Auftragsarbeit. Privatbesitz
Gebet wird Klang. Ölgemälde von Gabriele Koenigs (2020). 60 cm x 40 cm. Auftragsarbeit. Privatbesitz

 

Der Geiger lauscht auf die Töne, die von seiner Geige kommen. Sind sie wirklich rein? Passen sie? Wohin führen sie? Er lässt sich von ihnen mitnehmen. Die Musik hat ihren Fluss. Sie nimmt ihn mit. Er gibt sich hinein in diesen Fluss. Wenn die Töne nicht stimmen, spürt er es wie einen körperlichen Schmerz. So kann er nicht weiterspielen. Er nimmt seine Geige herunter und stimmt sie neu. Er hört genau hin, so fein er es kann. Möglicherweise nimmt er ein elektronisches Stimmgerät zur Hilfe. Er möchte, dass die Töne rein sind. Dann kann er weiterspielen.

 

Ich bin keine Musikerin. Aber ich bin auch sehr sensibel für Unstimmigkeiten. Wenn ein Chorgesang unsauber ist, verkrampft sich alles in mir. Wenn die Gitarre nicht stimmt, vergeht mir die Freude am Mitsingen. Ich spüre es auch, wenn in einer Begegnung Miss- Stimmung ist. Ich kann es nicht ignorieren. Ich weiß oft nicht, was hier nicht stimmt. Aber das Unbehagen meldet sich deutlich. Es ist wie ein Schmerz.

 

Schmerz kann sehr hilfreich sein. Niemand möchte Schmerzen haben. Wir tendieren dazu, ihn zu unterdrücken, zum Beispiel mit Tabletten. Schmerz ist wirklich nicht angenehm. Aber er weist uns darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Er ist wie ein Weckruf: „Schau mal hin, etwas ist nicht in Ordnung!“ Und er ruft Fragen wach: „Was ist jetzt nötig?“ „Kannst du etwas tun?“ „Brauchst du Hilfe?“

 

In unserer Gesellschaft breitet sich immer mehr ein tiefes Misstrauen aus. Wie ist das mit den Vorschriften des Infektionsschutzes? Ist das wirklich nötig und sinnvoll, oder ist es Schikane? Versucht jemand, uns die Freiheit zu rauben? Und: Könnte der Mensch, der mir gerade gegenüber ist, den Virus in sich tragen und an mich weitergeben? Ich leide unter diesem Misstrauen wie unter einem tiefen Schmerz. Ich bin nicht die einzige, die diesen Schmerz spürt. Viele empfinden das. Das Misstrauen ist verheerender als das Virus. Alles leidet darunter.

 

Was brauchen wir nun? Was können wir tun? Was kann ich tun? Was ist mein Beitrag zur Genesung?

 

Diese Krankheit ist nicht nur die Krankheit von Einzelnen. Sie betrifft die Menschheit weltweit. Etwas ist aus dem Gleichgewicht geraten. Sonst wären die Folgen nicht so gravierend. Wir wissen ja schon lange, dass die Ausbeutung der Schöpfung nicht immer so weitergehen kann. Das Aussterben vieler Pflanzen- und Tierarten, das Plastik im Meer und das Gift in den Böden, die brutale Massentierhaltung, die Erwärmung des Klimas: Alles hat Folgen. Die Schöpfung leidet. Unsere Rücksichtslosigkeit schlägt auf uns zurück. Mahnende Stimmen gibt es schon lange. Doch sie finden kaum Gehör. Musste jetzt diese globale Krise kommen, damit wir endlich zur Besinnung kommen und umkehren? 

 

Es gibt keinen Weg zurück. Der Weg führt nach vorne. Und der Schmerz hat eine wichtige Rolle darin. Betäuben wir ihn nicht. Hören wir hin. Spüren wir hin. Bitten wir um die göttliche Hilfe, um Weisheit für unsere Entscheidungen und Mut für die nötigen Schritte.

 

Und seien wir dankbar für die Begegnungen, in denen keine Unstimmigkeit ist. Genießen wir es, wenn die Kommunikation wahrhaftig ist. Hören wir genau hin auf das, was jemand sagt. Und lauschen wir den wundervollen Tönen der Musik. Sie erinnern uns an unsere tiefe Sehnsucht nach Harmonie. Diese Sehnsucht ist größer als der Schmerz. Sie hilft uns, auf dem Wege zu bleiben.

 

Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche

 

Gabriele Koenigs 

 

 

 

 

 

 

 


Hier können Sie Martin Schleske sehen und hören. Ihn habe ich mit meinem Ölbild portraitiert. Er ist fromm, klug, sensibel und eigenständig im Denken. Er hat ein faszinierendes Buch geschrieben: "Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens." Sehr zu empfehlen! 

 

 


Mein Buch "Gute Gedanken" ist zur Zeit ausverkauft. Ich bin daran zu entscheiden, ob ich eine neue Auflage drucken lassen soll. Melden Sie mir bitte Ihr Interesse, wenn Sie mein Buch erwerben möchten!