Sehnsucht

Eines Tages war ich im Bäckerladen und kaufte ein paar Brötchen und 2 Stück Kuchen. Als ich bezahlen wollte, merkte ich, dass ich gar keinen Schein mehr im Geldbeutel hatte, nur ein paar Münzen. Im Bäckerladen kann man aber nicht mit Karte bezahlen. Ich erschrak und sagte zur Verkäuferin: "Oh weh, vielleicht reicht mein Geld gar nicht!" Hinter mir stand eine junge Frau. Ich kannte sie nicht. Sie sagte ganz spontan: "Regen Sie sich nicht auf. Wenn es nicht reichen sollte, lege ich den Rest dazu." Ich staunte und schaute sie ganz ungläubig an. Sie sagte: "Sie können das ruhig annehmen. In ein paar Tagen ist Weihnachten. Ich bin schon ganz festlich und großzügig aufgelegt." Sie strahlte mich an. "Ich zähle erst einmal, ob meine Münzen reichen", sagte ich. Dann klaubte ich meine Münzen zusammen, auch die allerkleinsten. Geduldig nahm die Verkäuferin eine nach der anderen entgegen. Zum Glück stand niemand sonst hinter uns in der Warteschlange. Tatsächlich reichten die Münzen sogar. Wir lachten alle drei. Wir verabschiedeten uns voneinander und wünschten einander ein frohes Fest. 

 

Von solcher Heiterkeit und Spontaneität ist leider dieses Jahr wenig zu spüren. Wir halten vorsichtig Abstand voneinander. Es gibt viel weniger Begegnungen. Das öffentliche Leben steht beinahe still. Die Nerven liegen bei vielen Leuten blank. Die Diskussionen gehen hoch. Es ist eine extreme Situation. So etwas haben wir noch nie erlebt. Und niemand weiß, wie sich alles weiterentwickeln wird. Ich sehne mich gerade jetzt nach Augenblicken voll Heiterkeit und Freundlichkeit und Spontaneität. Ich sehne mich nach Frieden und Freiheit und Glück. Sie sehnen sich auch danach, nicht wahr? 

 

Adventszeit ist Zeit der Vorfreude. Und zugleich ist sie Zeit, um die Sehnsucht bewusst zu spüren. Die Bibeltexte sprechen von großen Verheißungen. Wir spüren, wie weit wir davon entfernt sind. Wir spüren unsere Not und die Not der ganzen Welt. 

 

Großzügigkeit wäre gerade jetzt gut, finde ich. Und Überraschungen auch. Wie können wir denen Freude bereiten, die uns am Herzen liegen? Und wie können wir unerwartete Freude bescheren - einfach nur, weil wir sehen, dass jemand das gerade braucht? Und wie können wir denen beistehen, die in tiefer Not sind? Wir haben allemal genug, um etwas abzugeben. Lasst uns erfinderisch werden. Lasst uns mit offenen Herzen und offenen Augen und Ohren unsere Tage erleben.

 

Großzügigkeit passt zum Fest des Christus. Knauserigkeit passt nicht. Fantasie, Freigiebigkeit, Hilfsbereitschaft passt. Grobheit passt nicht. Vertrauen passt. Hoffnung passt. Einfühlung passt. Kälte passt nicht. Schönheit passt. Gemeinheit passt nicht. Liebe passt. Lieblosigkeit passt nicht. Menschenfreundlichkeit passt. Wir feiern das Fest des menschenfreundlichen Gottes. 

 

Jetzt sind wir als Gläubige gefragt. Es geht jetzt um unseren aktiven Beitrag zum Fest des Christus. Wird durch uns etwas von ihm erkennbar? Leuchtet sein Licht durch uns - mitten in dieser notvollen Zeit? Wir sind stärker gefragt als je. Jedes Einzelne von uns gestaltet dieses Fest. Jedes Einzelne gibt einen Beitrag dazu. Wir geben diesem Weihnachten unser Gesicht. 

 

Ich wünsche uns allen Mut und Weisheit und Erfindergeist dazu. 

Einen schönen Adventssonntag Ihnen allen und Euch allen!

Gabriele Koenigs 


Heute finden Sie hier ein modernes Kirchenlied. Überzeugend spricht es von der Sehnsucht, die in uns lebt. Es ist ein aufrichtiges Gebet.  Hier ist eine Version, anhand der es sich ganz leicht mitsingen und lernen lässt. Viel Freude dabei!