Sterntaler

Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr hatte, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld.

Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: "Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig." Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: "Gott segne dir's," und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: "Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann." Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben," und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.

Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.

(Märchen der Gebrüder Grimm)

 

Ich liebe dieses Märchen seit Kindertagen. Ich fühlte mich oft wie ein armes Mädchen. Und doch habe ich so viel empfangen, von Anfang an. Ich bin so reich beschenkt vom Himmel her. Ich darf empfangen ohne Ende. Ich übe mich im Vertrauen. „Im Vertrauen auf den lieben Gott“ geht das Mädchen im Märchen seinen Weg. Dieses Vertrauen macht ihm möglich, alles mit anderen zu teilen. Je älter ich werde, desto tiefer wird das Vertrauen auch in mir, Gott sei Dank. Geiz und Gier, Sorge und Angst können weichen, Gott sei Dank. Wer gibt und teilt, wächst über sich hinaus. Darum hat das Geben eine heilende Kraft.

 

 

 

In meinen abstrakten Bildern arbeite ich oft kleine Goldflocken oder Schlagmetallplättchen ein. Mit ihrem Funkeln und Glitzern erinnern sie mich an die Sterntaler. Auch in dem Bild, das ich hier unter der Goldfolie versteckt habe und allmählich enthülle, gibt es viele Sterntaler zu sehen. Auf meinem Tisch streue ich im Advent kleine goldene Streusterne aus. Und ich liebe es, in einer klaren Nacht einen Nachtspaziergang zu machen und das Funkeln am Himmel zu betrachten. Welch eine unermessliche Schönheit und Fülle ist über uns! 

 

Und dies ist auch mein Vorschlag für Sie und für euch: Wie wäre es mal wieder mit einem Nachtspaziergang? Weil es jetzt schon so früh dunkel wird, muss man damit gar nicht bis zur Nacht warten. Wenn Sie Angst haben, in der Dunkelheit auszurutschen, gönnen Sie sich wenigstens ein paar Minuten auf dem Balkon oder im Garten.

 

In manchen Gebieten – zum Beispiel im Schwarzwald – wurde jetzt ein nächtliches Ausgehverbot erlassen. Ich möchte trotzdem in den nächsten beiden Wochen ab und zu den Sternenhimmel sehen. Das Ausgehverbot gilt bei uns zwischen 20 Uhr und 5 Uhr. Dunkel ist es schon lange vor 20 Uhr, und morgens um 5 Uhr sind die Sterne am Himmel auch noch zu sehen. Ich werde meine Zeit für einen Sternenhimmelspaziergang finden. Es zieht mich nach draußen. Ich kann mir vorstellen, dass es viele in diesen kommenden Nächten nach draußen zieht. Denn um die Zeit der Wintersonnenwende wird in diesem Jahr ein seltenes Phänomen erwartet. Zwei Planeten werden einander so nahe kommen, dass sie vermutlich so hell leuchten werden wie damals der Stern von Bethlehem. Manche Menschen sehen diesem Phänomen mit großer Erwartung entgegen und nehmen es als Gotteszeichen.  Möglicherweise beginnt eine neue Zeit. Möglicherweise wendet sich etwas zum Besseren. Vertrauen wir auf die Liebe und Güte und Weisheit Gottes!

 

Ich wünsche Ihnen allen und Euch allen einen guten Tag.

Gabriele Koenigs