An meiner Tür hing gestern ein kleines Päckchen, liebevoll eingepackt. Ein Schächtelchen Pralinen war drin, eine schöne Karte und ein Geldschein. Es war viel weniger Geld, als ich erwartet hatte. Ich wunderte mich, und dann musste ich schmunzeln. Ein Missverständnis! Das Päckchen kam von einer treuen Kundin, die ich sehr gerne mag und die jedes Jahr bei mir Bücher als Weihnachtsgeschenk abholt. Dieses Jahr wollte sie lieber nicht selbst kommen. Sie wollte es „kontaktlos“ abwickeln. Sie wohnt gar nicht weit von mir. Wir hatten abgemacht, dass sie mir das Geld in den Briefkasten wirft. Und ich hatte das Bücherpäckchen an ihrem Arbeitsplatz abgegeben.
Ich hatte ihr einen Sonderpreis für die Bücher genannt. Der Betrag, den ich ihr genannt hatte, bezog sich auf ein Buch. Aber sie hatte es wohl so verstanden, dass dieser Betrag für alle Bücher zusammen gilt. Was sollte ich nun tun? Einfach mit Stillschweigen darüber hinweggehen? Oder doch etwas sagen?
Wenig später schickte sie mir eine Nachricht. „Ich habe Ihnen etwas an die Tür gehängt!“ „Danke, mein Mann hat es mir gerade gebracht“, schrieb ich zurück. „Vielen Dank!“ Und dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und schrieb: „Ich musste schmunzeln, als ich den Geldschein gesehen habe. Ich habe mich vielleicht nicht klar ausgedrückt. Der Betrag, den ich Ihnen genannt hatte, war für ein Buch!“ Sofort schrieb sie zurück: „Ja, das habe ich total missverstanden! Jetzt musste ich auch lachen! Welch ein peinlich-lustiges Missverständnis! Ich bringe Ihnen den fehlenden Betrag in den nächsten Tagen vorbei.“ „Nehmen wir es nicht peinlich“, schrieb ich zurück. „Nehmen wir es einfach nur lustig! In diesen Tagen, wo wir so wenig zum Lachen haben, ist es doch gut, wenn mal was Lustiges passiert!“
Sie schrieb: „Es ist gut, dass Sie etwas gesagt haben. Sonst wäre das vielleicht immer zwischen uns gestanden. Und so kann ich es aus der Welt räumen und wenn wir uns in Zukunft begegnen, können wir darüber schmunzeln!“
Fehler passieren. Missverständnisse passieren. Sie passieren mir und anderen. Es steckt normalerweise gar keine böse Absicht dahinter. Es ist eine gute Erfahrung, wenn ein Missverständnis so leicht ausgeräumt werden kann, ohne dass eine große Sache draus wird. Es fühlt sich jetzt ganz leicht an in mir und auch in ihr. Diese lustige Geschichte wird uns noch mehr verbinden als bisher.
Missverständnisse passieren auch haufenweise rund um das Weihnachtsfest. Reden Sie miteinander und räumen Sie aus, was sich ausräumen lässt. Kehren Sie es nicht einfach unter den Teppich. Sprechen Sie Ihre Sicht aus, melden Sie Ihre Bedürfnisse an. Und hören Sie genauso auf das, was die anderen Beteiligten sagen. Ein ausgeräumtes Missverständnis verbindet tiefer als der sogenannte liebevolle „Mantel des Schweigens“.
Ich wünsche Ihnen allen und Euch allen einen guten Tag
Gabriele Koenigs