Raffaels Botschaft

Raffael ist Zeitungsausträger. Jeden Morgen trägt er in einer Kleinstadt die Zeitungen aus. Bevor er startet, liest er die wichtigsten Meldungen. Manchmal muss er auch zwischendurch eine Pause machen. Seine Beine machen Probleme. Er nutzt die Pausen, um noch etwas zu lesen und um für ausgewählte Kunden einen Gruß auf die Zeitung zu schreiben. Z.B: „Guten Morgen! Ich habe Ihre Zeitung bereits durchgeschaut! Oben auf Seite 3 ist ein Artikel, der Sie interessieren wird! Raffael.“

Kurz vor Weihnachten schreibt er auf einige Zeitungen: „Das Leben ist schön, trotz allem! Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage! Ihr Zeitungsausträger Raffael.“

 

Jörg entdeckt diesen Gruß beim Frühstück. „So ein Quatsch“, denkt er. „Lauter Meldungen über Corona auf der ersten Seite, und der schreibt dazu: Das Leben ist schön!“ Ärgerlich legt er die Zeitung beiseite. Harald entdeckt den Gruß in seiner Kaffeepause. „So ein Kauz“, denkt er. „Hat keine gescheite Arbeit und keine Familie und sagt so was!“ Susanne liest es auch in ihrer Kaffepause. „Früher habe ich auch mal gedacht, dass das Leben schön ist. Früher, als ich noch jung war und kerngesund. Aber seit ich krank bin, ist es manchmal so fürchterlich anstrengend!“

 

Am Nachmittag klingelt Mirjam bei Raffael. Sie hat eine Tüte mit Weihnachtsgebäck in der Hand. Mirjam ist Susannes Tochter. „Ich soll Ihnen das von meiner Mutter bringen“, sagt sie. „Und ich soll Ihnen sagen, dass das Leben nicht schön ist. Aber Sie sollen wenigstens was Gutes zu Weihnachten haben, wo Sie uns doch jeden Tag die Zeitung bringen!“

 

Raffael bedankt sich und fragt: „Möchtest du ein bisschen zu mir hereinkommen? Ich baue gerade meine Weihnachtskrippe auf.“ Mirjam schüttelt den Kopf. „Das soll ich nicht. Aber du hast auch eine Krippe? Dabei hast du gar keine Kinder!“ Raffael sagt: „Ich habe sie von meinem Großvater geerbt. Warte mal, ich zeig dir etwas.“

Ein paar Augenblicke später ist Raffael wieder da. Er hat ein wunderschön geschnitztes Jesuskind in der Hand. „Schau mal!“ Mirjam staunt über die kunstvolle Figur. Sie sieht so friedlich aus. Plötzlich sagt sie: „Für Jesus war das Leben bestimmt auch nicht schön. In einem Stall zur Welt kommen, das ist nicht schön. Und dann als kleines Baby auf der Flucht vor König Herodes, das war bestimmt nicht schön. Und am schlimmsten war es bestimmt am Kreuz.“ Raffael nickt. „Jesus hat es schwer gehabt. Das weiß ich auch. Trotzdem hat er das Leben geliebt. Und er hat die Menschen geliebt. Besonders die Kinder. Hast du schon einmal gehört, wie er die Kinder gesegnet hat?“ „Klar, unsere Religionslehrerin hat uns davon erzählt. Wir haben auch Bilder dazu gemalt. Ich habe gemalt, wie ihm zwei kleine Kinder auf dem Schoß sitzen, und um ihn herum sind noch mehr Kinder. Und außerdem habe ich noch gemalt, wie Jesus einen Blinden geheilt hat.“ „Na siehst du“, sagt Raffael, „das ist schön, wenn einem Kinder auf dem Schoß sitzen und wenn man einem Kranken helfen kann. Das Leben ist schön, trotz der Not. Ich bin ganz sicher, dass Jesus das auch gesagt hätte.“ Mirjam denkt angestrengt nach. Schließlich fragt sie: „Was meinst du, wovon wird das Leben schön?“ Raffael antwortet: „Von der Liebe wird es schön, am allermeisten von der Liebe.“

„Darüber muss ich mit meiner Mutter sprechen“, sagt Mirjam. „Ich bin gespannt, was sie dazu sagt.“

 

„Warte mal. Ich möchte dir etwas für sie mitgeben“, sagt Raffael. Mirjam bleibt an der Tür stehen. Von ferne sieht sie, wie er in einem Stapel von Papieren kramt. Schließlich hat er gefunden, was er sucht. Er nimmt ein Blatt Papier, bindet ein rotes Geschenkband drum herum und bringt es zu Mirjam. „Gib ihr das an Weihnachten von mir!“

 

Am Heiligabend, am Ende der Bescherung, holt Mirjam dieses kleine Geschenk. Sie überreicht es ihrer Mutter. „Ein besonderer Gruß von Raffael für dich! Wegen der Liebe ist das Leben schön, soll ich dir sagen!“

 

Susanne nimmt das rote Bändel ab. Sie liest den Text. Erst liest sie still für sich. Aber dann sagen die anderen: „Lies vor!“ Susanne liest:

 

"Das Leben ist eine Chance,

nutze sie.

Das Leben ist eine Herausforderung,

nimm sie an.

Das Leben ist kostbar,

geh sorgsam damit um.

Das Leben ist Reichtum,

bewahre ihn.

Das Leben ist ein Rätsel,

löse es.

Das Leben ist ein Lied,

singe es.

Das Leben ist ein Abenteuer,

wage es.

Das Leben ist Liebe,

genieße sie.“

(Mutter Theresa)

 

 

Mögen Sie diesen Text von Mutter Theresa für sich selbst oder für jemand anderen abschreiben? Mögen Sie ihn jemandem vorlesen? Oder mögen Sie eine Melodie dazu erfinden? Oder mögen Sie die Worte abwandeln, so, wie es für Sie passt?

 

Ich wünsche Ihnen und Euch allen einen guten Tag.

 

Gabriele Koenigs