Eines Tages hatte ich mich mit einer Ordensschwester am Bodensee verabredet. Sie verbrachte ihren Jahresurlaub auf der Reichenau in einem kleinen Ferienhaus, das dem Orden gehörte. Sie holte mich am Bahnhof ab. Zusammen gingen wir zu dem Ferienhaus. Es war ein wunderschönes Anwesen, direkt am Wasser gelegen, ein wenig verborgen vor neugierigen Blicken. Ohne sie hätte ich dieses Anwesen gar nicht gefunden. Wir setzten uns unter einen alten Baum.
„Hier ist mein Lieblingsplatz“, sagte sie. „Ich sitze jeden Tag hier. Ich brauche sonst eigentlich gar nichts. Keine Ausflüge, keine Besichtigungen, keine Gottesdienste. Einfach nur hier sein, das ist das Beste für mich.“
In ihrem Kloster trägt sie große Verantwortung. Sie ist eine gescheite Frau. Sie hat eine logotherapeutische Ausbildung. Sie begleitet die Menschen, die eine Auszeit im Kloster verbringen. Sie hört sich ihre Lebensgeschichten an und öffnet sich für die Nöte und Fragen. Als eine der Jüngsten in ihrem Orden beschäftigt sie sich viel mit Überlegungen für die Zukunft. Welche Umstrukturierungen sind fällig? Wie gehen wir mit dem fehlenden Nachwuchs um? Welche Angebote können wir denen machen, die unser Kloster besuchen? Wie bleiben wir attraktiv? Sie ist auch für die Pflege des Freundeskreises zuständig. Sie hält Kontakt mit den Freunden und Förderern des Klosters. Ihr Alltag ist mit Aufgaben überreich gefüllt. Außenstehende stellen sich ein Klosterleben recht beschaulich vor. In Wirklichkeit geht es dort emsig zu wie in einem Bienenstock.
„Ora et labora“ (d.h. Bete und arbeite!) ist die Grundregel für Ordensleute. Für eine Ordensschwester ist es ein Unding, einfach nur herumzusitzen. „Wir haben einen großen Teil unseres Klosters inzwischen modernisiert“, sagte sie. „Wir haben jetzt auch unsere eigenen Nasszellen. Das erleichtert uns das Leben sehr – besonders jetzt, wo wir alt werden. Aber nach wie vor sind die Zimmer, in denen wir leben, nur mit Bett, Stuhl und Schreibtisch ausgestattet. Ein Sessel gehört nicht zum Mobiliar. Eine Klosterschwester sitzt nicht einfach nur herum.“
Aber hier am Bodensee sitzt sie stundenlang an ihrem Schattenplatz und ruht sich aus. Jedes Jahr verbringt sie zwei bis drei Wochen hier. Hier schöpft sie Kraft für ihren Alltag.
Mich zieht es auch immer wieder zum Wasser. Leider gibt es in der Gegend, in der ich lebe, keine Seen und kein Meer. Darum versuche ich, meine Ferien am Wasser zu verbringen. Wasser schenkt auch mir eine ganz tiefe Ruhe. Am Wasser zu sitzen löst auch mich von der Geschäftigkeit. Hier komme ich in Kontakt mit dem, was größer ist als unsere menschliche Geschäftigkeit und unsere menschlichen Gedanken.
Ich hoffe, dass es im Sommer wieder möglich sein wird, ein paar Tage am See zu verbringen.
Und einstweilen habe ich den Baum am Wasser gemalt.
Ich wünsche Euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche!
Gabriele Koenigs
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Die Musik ist von Arvo Pärt komponiert. Es singt der philharmonische Kammerchor aus Estland.
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