Zur Zeit bin ich in einer großen Rehabilitationsklinik am Chiemsee. Es ist alles gut hier: Die Landschaft drumherum und der herrliche saubere See, die Therapeutinnen und Therapeuten, mein Arzt, mein Zimmer. Nur eines hat mich belastet: Das Essen im riesigen Speisesaal, zusammen mit annähernd 300 Leuten. Wegen Corona essen wir in Schichten. Es ist ein dauerndes Kommen und Gehen, ein hoher Lärmpegel, immer Hektik. Das habe ich gar nicht vertragen. Das Essen ist lecker, aber diese Umstände führten dazu, dass ich in der ersten Zeit der Reha dauernd Magenschmerzen hatte.
Vor ein paar Tagen entdeckte ich plötzlich durch Zufall, dass manche Leute mit ihrem Essen in einen kleinen Nebenraum gingen, der nachmittags und abends als Café genützt wird. Ich fragte eine Frau: "Darf man hier sein ganz normales Essen verzehren?" Sie strahlte mich an und nickte. Sofort wusste ich: Von nun an werde ich auch hier essen! Seither gehe ich zu jeder Mahlzeit in diesen kleinen Nebenraum. Dort sitzen niemals mehr als 20 Leute, und es sind lauter Leute wie ich, die Ruhe brauchen für die Mahlzeit. Hier ist keine Hektik, kein Lärm. Wunderbar! Nun bekommen mir die Mahlzeiten viel besser als zuvor.
Manchmal leiden wir unter einer Situation und denken, wir hätten keine Wahl. Wir denken, wir müssten uns fügen, wohl oder übel. Notfalls auch mit Magenschmerzen. Kennen Sie das? Kennt ihr das? Wir leiden still vor uns hin oder reagieren mit Ärger und Gereiztheit. Manchmal geht es jedoch nur darum, mit offenen Augen unterwegs zu sein und die anderen Möglichkeiten zu sehen, die sich bieten. Und es geht darum, diese anderen Möglichkeiten zu ergreifen. Das Leben blüht auf, wenn wir aus den vermeintlichen oder tatsächlichen Gefangenschaften aussteigen. Das Leben blüht auf in der Freiheit. Manchmal sind heftige Prozesse dafür nötig. Aber manchmal ist es wirklich nur ein kleiner Schritt in die Freiheit. Es lohnt sich, diese Schritte zu gehen, ob groß oder klein.
Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche und grüße ganz herzlich vom Chiemsee
Gabriele Koenigs
Hier können Sie den Frauenchor "Sjaella" hören, mit der Bitte um Frieden. Sie beginnen mit der lateinischen Bitte: Da pacem domine in diebus nostris (Gib Frieden, Herr, in unseren Tagen), fahren fort mit der Bitte aus dem Nagelkreuzgebet: Father forgive (Vater, vergib) und enden schließlich mit der Bitte: Verleih uns Frieden gnädiglich.
Viel Freude beim Hören!
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