Bewegen macht Freude

Auf dem Weg zum Selbstvertrauen. Auftragsportrait von Gabriele Koenigs (2022). Privatbesitz
Auf dem Weg zum Selbstvertrauen. Auftragsportrait von Gabriele Koenigs (2022). Privatbesitz

Susanne ist das älteste von 3 Geschwistern. Früh hat sie gelernt, auf ihre kleinen Brüder aufzupassen. Diese waren übermütig. Sie kletterten auf Bäumen herum, sprangen über die Pfützen und rannten um die Wette. Susanne hielt mit ihnen mit. Und sie sah, wenn sie sich in zu große Gefahr brachten. Sie war sich ihrer Verantwortung sehr bewusst. „Pass gut auf die Kleinen auf“, hatten die Eltern ihr aufgetragen. Wenn es unbedingt nötig war, konnte sie gegenüber den Brüdern auch laut und streng werden. Aber meistens war das gar nicht nötig. 

 

In der Schule hingegen hatte sie Mühe, sich zu äußern. Sie errötete, wenn sie etwas gefragt wurde. Das Schlimmste war es, wenn sie an die Tafel gerufen wurde und dort etwas ausrechnen oder aufschreiben musste, vor den Augen aller Klassenkameraden. Sie wäre am liebsten in den Boden versunken vor Scham. Es fühlte sich schrecklich an, von allen angeschaut zu werden. Dabei war sie durchaus ein hübsches Mädchen. Ihre Eltern liebten es, wenn sie an besonderen Tagen ein Kleid anzog. Bei einem Hochzeitsfest durfte sie einen wunderschönen Blütenkranz auf dem Kopf tragen, den eine Floristin für sie gebunden hatte. Schüchtern schaute sie sich im Spiegel an. Bin ich das wirklich? Beim Hochzeitsfest sagten viele zu ihr: „Du bist so ein wunderschönes Mädchen!“ Sie errötete. Das machte sie nur noch hübscher.

 

Eines Tages brachte ihre Mutter Videos mit. Dort waren Anleitungen für Aerobic zu sehen, mit fetziger Musik unterlegt. Ihre Mutter wollte ihre Fitness mit Hilfe dieser Videos verbessern. Aber bald stellte sich heraus, dass das doch nicht ihr Ding war. Sie verlor das Interesse daran. „Darf ich die Videos mit in mein Zimmer nehmen“, fragte Susanne vorsichtig. Gerne erlaubte ihr das die Mutter. Susanne ließ diese Videos laufen, so oft sie Zeit hatte. Der Rhythmus fuhr ihr in die Glieder. Und sie liebte es, die Bewegungen der Anleiter nachzumachen. Da gab es Schritte, auf die sie selbst niemals gekommen wäre. Sie wurde immer sicherer. Es war gut, dass sie keine Beobachter hatte. Niemand durfte ihr Zimmer betreten, wenn sie übte. Manchmal träumte sie davon, sie würde auch eines Tages vor einer Gruppe von Leuten stehen und ihnen schöne Bewegungen zur Musik beibringen. Zugleich wusste sie, dass das unmöglich ist, wenn man so schüchtern ist wie sie.

 

Als sie mit der Schule fertig war, begann sie ein Psychologiestudium. Zum Ausgleich besuchte sie an ihrem Studienort Aerobic-Kurse in einem Studio. Nun übte sie die Bewegungen in einer Gruppe. Das war eine neue, schöne Erfahrung. Sie fühlte die Verbundenheit mit den anderen. Manchmal gingen sie anschließend an den Übungsabend zusammen aus. Allmählich entstanden Freundschaften.

 

In einem Seminar im Psychologiestudium sprachen sie über Angst und wie sie überwunden werden kann. Die Professorin gab ihnen die Aufgabe: „Packt etwas an, wovor ihr bisher Angst gehabt hat, und schreibt eure Erfahrungen auf!“ Als Susanne über die Aufgabe nachdachte, war ihr klar: „Ich habe schon so lange davon geträumt, Bewegungen in der Gruppe anzuleiten. Aber ich hatte immer Angst davor, dass ich das nicht kann. Wie könnte ich bloß über die Angst hinwegkommen? Ich würde das so gerne schaffen!“ Schließlich fand sie einen Kurs zur Ausbildung von Aerobic-Trainern. Mit zitternden Knien besuchte sie das erste Treffen. Es dauerte ein ganzes Wochenende. Im Lauf der Tage wurde sie mit den anderen Teilnehmern warm. Es machte Spaß. Am Ende wurde ihnen eine Aufgabe gestellt. „Bis zum nächsten Trainingstermin überlegt sich jede und jeder eine kleine Bewegungssequenz von 5-10 Minuten und leitet die Gruppe dazu an!“ „Oh weh“, dachte Susanne. Und zugleich: „Wäre das prima, wenn ich das schaffe!“ Daheim suchte sie sich Musik aus und überlegte die Schrittfolge. Sie übte es immer wieder, bis sie es im Schlaf konnte. Dann lud sie eine Studienfreundin ein und probte es mit ihr. Schließlich kam der große Tag. 30 andere Ausbildungsteilnehmer schauten auf sie und warteten auf ihre Vorgaben. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals. Aber schon nach ganz kurzer Zeit hatte sie die Angst vergessen. Die Musik fuhr ihr in die Glieder. Sie genoss es, ihre Bewegungen einzubringen und zu sehen, wie die anderen es umsetzten. Es fühlte sich fast an wie im Rausch. Die Zeit verging im Flug. Alle applaudierten. Sie verbeugte sich. Ein großes, befreites Lächeln zog über ihr Gesicht. Wie schön war es, in die erhitzten Gesichter der anderen zu schauen! So viel Positives lag in ihren Blicken, so viel Dankbarkeit und Freude. Und wie schön war es zu bemerken, wie das Blut durch ihren Körper rauschte. Ihre Wangen waren rot, aber nicht vor Scham. Es war die pure Lebendigkeit und Lebensfreude.

 

An diesem Abend fiel ihr Entschluss, das Psychologiestudium abzubrechen und einen anderen Berufsweg einzuschlagen. „Ich will Menschen zur Bewegung anleiten“, dachte sie. „Ich will mit Leuten verschiedener Altersstufen arbeiten, mit Gesunden und Kranken. Ich will ihnen die Freude an der Bewegung vermitteln.“

 

Inzwischen hat sie das geschafft. Sie arbeitet in ihrem Traumberuf. Sie trainiert mit Studenten einer Universität, mit alten Menschen in einem Pflegeheim, mit Hausfrauen und mit Schülern. Sie hat sogar ein Buch über die Freude an der Bewegung geschrieben. Ein kleines bisschen schüchtern ist sie immer noch. Aber sie überwindet das leicht. Sowie sie sich mit anderen bewegt, ist die Schüchternheit vergessen. Sie weiß, wie wichtig ihre Aufgabe ist. Alle schauen auf sie, um von ihr etwas zu lernen. Und sie passt gut auf, dass niemand sich dabei schadet. Auf ihr Feingefühl kann sie sich verlassen. Das hat sie schließlich von klein auf trainiert. Das Größte ist für sie, wenn Menschen nach der Übungsstunde sagen: „Danke! Das hat so gutgetan!“

 

Ich bin froh, dass es Menschen gibt wie sie und ihre Kolleginnen und Kollegen. Mit ihrer Hilfe entdecke sogar ich, wie schön es ist, sich zu bewegen. Und das will etwas heißen, wo ich doch immer so ein "Sportmuffel" war. 

 

Bewegen tut einfach tut. 

 

Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche! 

 

Gabriele Koenigs 

 

  


Hier können Sie Lied von Franz Baltruweit hören: Fürchte dich nicht.... Es ist ganz einfach mitzusingen. Viel Freude dabei! Sie finden den Text im Evangelischen Gesangbuch bei Nr. 629. 

 

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