Mitten im Unvollkommenen

Geburtstagskind. Aquarell von Gabriele Koenigs (2014). Auftragsarbeit. Privatbesitz
Geburtstagskind. Aquarell von Gabriele Koenigs (2014). Auftragsarbeit. Privatbesitz

Es war ein ganz gewöhnlicher Tag. Ulrike hatte viel zu tun, wie immer. Arbeit im Büro, Arbeit im Stall, Hausarbeit, Weihnachtsvorbereitungen. Dennoch hat sie sich Zeit genommen, um zu mir zu fahren und mit mir Geburtstag zu feiern. Ich habe das genossen. Es war ein Zeichen, wie viel ihr an mir liegt, und mir an ihr. Wir hatten uns einige Jahre aus den Augen verloren. Aber nun haben wir uns wieder gefunden, und nun ist es umso schöner. Wir haben einander viel zu erzählen, von früher und von jetzt. Wir freuen uns an einander. Unsere Leben sind miteinander verbunden.

 

An Weihnachten feiern wir den Geburtstag von Jesus. Wir haben viel Zeit dafür. Denn es sind arbeitsfreie Tage. Aber es ist schon ein bisschen seltsam. Das Geburtstagskind sitzt nicht mit am Tisch. Es ist schon lange nicht mehr auf Erden. Und dennoch: Unser Leben ist mit seinem verbunden. Selbst wenn wir ihn für einige Zeit aus den Augen verloren haben. Weihnachten ist die Gelegenheit, nochmals neu über ihn und über uns nachzudenken. Weihnachten ist die Gelegenheit, die Verbindung zu ihm zu feiern. Diese Gelegenheit kommt "alle Jahre wieder".

 

Jesus ist gekommen, um uns die göttliche Liebe nahe zu bringen. Hautnah sozusagen. Er hat gezeigt, dass ein Mensch vollkommen von dieser Liebe durchdrungen sein kann. Er hat uns vorgelebt, wie es ist, aus dieser Liebe zu leben, in guten und in schweren Tagen. Dank ihm glaube ich an die göttliche Liebe. Und dank allen, die mir den Glauben weitergegeben haben.

 

Die göttliche Liebe zeigt sich nicht nur in diesem einen Menschen Jesus. Sie erscheint in jedem Menschen, der auf diese Erde kommt. Sie erscheint auch in mir und in dir.

 

Haben wir Augen, um das wahrzunehmen? Haben wir Ohren, um wirklich hinzuhören? Haben wir Hände, einander beizustehen? Haben wir Herzen, einander zu würdigen und zu empfinden, wie kostbar das Leben ist? In der Weihnachtszeit üben wir es. Wir überlegen, womit wir einander eine Freude machen können. Wir überlegen uns gute Worte füreinander, gestalten Kartengrüße und Briefe und packen Päckchen. Wir besuchen einander. Wir laden einander ein. Wir denken auch an die Armen. Die göttliche Liebe erscheint in unserem Miteinander.

 

Unser Miteinander ist keineswegs vollkommen. Oft schleichen sich ungute Gedanken und alte ungelöste Geschichten in unseren Geist. Wir sprechen sie nicht unbedingt aus, aber sie tun ihr ungutes Werk. Manchmal sind wir viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt, um wirklich offen zu sein für die anderen, die mit am Tisch sitzen. Wir sind blockiert, und die anderen auch. Das kommt in den besten Familien vor. Wetten, dass es auch in der Familie von Jesus so war!

 

Und dennoch: Gott sei Dank für jeden Augenblick, in dem die Liebe sich zeigt. Sie erscheint mitten im Unvollkommenen. Das beste Zeichen dafür ist die Krippe. Eine Krippe ist kein perfekter Ort für ein neugeborenes Kind. Ein dreckiger Stall ist kein optimales Obdach. Und dennoch: Die Liebe ist gerade dort erschienen. Mitten im Unvollkommenen.

 

Gott sei Dank für Jesus Christus. Gott sei Dank für das Leben. Gott sei Dank für alle Hilfe. Gott sei Dank für alles, was wir von Jesus lernen können. Gott sei Dank für die unglaubliche Vielfalt der Menschenkinder und den Reichtum, den jedes in sich trägt. Gott sei Dank für alles, was wir voneinander lernen können. Gott sei Dank für alle Zeichen der Liebe.

Ich wünsche euch allen und Ihnen allen frohe, gesegnete Weihnachtstage.

 

Gabriele Koenigs


Hier hören Sie eines der schönsten Weihnachtslieder, vertont von Johann Sebastian Bach. "Ich steh an deiner Krippen hier..." . Sie finden den Text im Evangelischen Gesangbuch. 

Viel Freude beim Anhören! 

 

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