Barbara ist sehr verbunden mit ihren Eltern. Vor kurzem hat sie ihren 50. Geburtstag gefeiert. Ihr Partner wollte ihr zu diesem Anlass etwas ganz Besonderes schenken. Er kam auf die Idee, ein Portrait ihrer Eltern bei mir in Auftrag zu geben. Welch eine schöne Idee! Sie leben noch. Gott sei Dank! Miteinander haben sie diesen Geburtstag gefeiert.
Ich kenne dieses Ehepaar nicht. Aber Barbara hat mir ab und zu von ihnen erzählt. Sie verdankt ihnen viel. Sie sind ihr wichtig. Sie sind liebevoll mit ihr verbunden. Auf dem Foto, das ihr Partner mir zur Verfügung gestellt hat, habe ich gesehen, wie offen und interessiert die beiden sind, anderen Menschen zugewandt. In ihren Zügen liegt keine Bitterkeit, sondern Lebensfreude. Ein Spritzer Humor ist auch dabei. Sie bejahen das Leben mit dem, was es ihnen bringt. Solche Menschen sind einfach eine Wonne. Es hat mir viel Freude gemacht, dieses Doppelportrait für Barbara zu malen. Barbara ist überglücklich über das Geschenk. Als sie es ausgepackt hat, kamen Tränen in ihre Augen. So gerührt war sie. Das Bild bekommt einen schönen Platz in ihrer Wohnung.
Wir alle hatten Eltern. Wir alle haben ihnen viel zu verdanken. Natürlich gab es immer etwas, was in der Beziehung nicht so einfach war. Das kommt in den besten Familien vor. Ganz bestimmt auch in Barbaras Familie. Für manche von uns ist jedoch die Erinnerung an die Eltern insgesamt etwas Kompliziertes. Bei mir ist es auch so. Meine Eltern hatten es schwer mit sich selbst, miteinander und mit ihrer großen Kinderschar. Wir alle haben darunter gelitten. Vieles ist nicht gut gelaufen. Und dennoch fällt mir ab und zu etwas ein, was richtig gut war und wofür ich ihnen dankbar bin.
Wir sind in einem Hochhaus aufgewachsen und hatten ganz wenig Platz. Irgendwann kamen meine Eltern auf die geniale Idee, auf einem Campingplatz an einem Baggersee bei Speyer am Rhein eine Dauerparzelle zu mieten. Während der warmen Jahreszeit sind wir an jedem Wochenende dorthin gefahren, und wir haben auch sämtliche Sommerferien dort verbracht. Das waren herrliche Zeiten für uns Kinder. Dort waren wir frei. Dort konnten wir schwimmen, herumstromern und Abenteuer erleben. Dort gab es viele Menschen, mit denen wir Freundschaften schlossen. Ich habe mich dort zum ersten Mal verliebt. Wir saßen nächtelang am Lagerfeuer und haben zusammen gesungen. Es war einfach wunderbar. Vor ein paar Tagen habe ich mich mit meiner Schwester darüber ausgetauscht. Sie ist auch voller Dankbarkeit für diese Zeiten auf dem Campingplatz. Und sie sagte: "Das war ja ein großer Aufwand für sie, immer alles zusammenpacken und die weite Autofahrt!" Meine Mutter musste unter primitivsten Bedingungen kochen und waschen. Aber sie hat das in Kauf genommen, uns zuliebe und unserem Vater zuliebe. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Um diese Dankbarkeit in Worte zu fassen, habe ich ihr einmal einen langen Brief geschrieben. Darin habe ich erzählt, wie viel mir diese Zeit auf dem Campingplatz bedeutet hat und wie froh ich bin, dass sie uns das ermöglicht hat.
In der Bibel gibt es das klangvolle hebräische Wort Hallelujah. Dieses Wort ist eines meiner Lieblingsworte. Es ist voller Dankbarkeit und Freude. Strahlend steigt es gen Himmel auf. Und es nimmt andere Menschen mit hinein. "Lobt Gott", heißt es übersetzt, oder: "Lobet den Herrn!" oder "Preiset den Herrn!" Am schönsten klingt es in seiner hebräischen Originalsprache. Halleluja!
Es hat einen Aufforderungscharakter. Stimmt ein mit mir in das Lob!
Barbara kann dies auf jeden Fall tun. Sie lobt Gott dafür, solche guten Eltern zu haben. Dieses Lob fällt ihr gar nicht schwer. Ihr Herz ist voller Lob und Dank. Ihre Tochter und ihr Partner teilen diese Freude und Dankbarkeit.
Bei anderen Menschen wie bei mir ist es eher ein gebrochenes Halleluja. Es ist nicht so ungetrübt. Und dennoch: Es bricht sich Bahn. Ich danke Gott für alles, was gut war mitten in dem Schweren. Und für alles Gute, was sich in meinem Leben entwickelt hat. Für alle, die mir beigestanden sind. Für alle Liebe, die ich empfangen durfte und darf.
Wahrscheinlich kennen Sie das berühmte Lied "Halleluja" von Leonard Cohen. Dort kommt dieser Ausdruck "broken halleluja" vor: ein gebrochenes Halleluja. Es geht nicht so leicht über die Lippen wie das strahlende. Es kommt nicht so spontan. Es hat einen anderen Klang. Es muss errungen werden. Aber wie gut ist es, wenn es kommt! Es löst sich etwas, wenn wir das Leben bejahen mit allem, was es uns gebracht hat. Es verwandelt sich etwas, wenn wir mit einstimmen in das Gotteslob.
Geht auf die Suche nach dem, was gut war und gut ist in eurem Leben. Sucht nach guten Erinnerungen. Erzählt einander davon. Erzählt euren Partnern und Freunden, euren Geschwistern und Verwandten, euren Kindern und Enkeln. Beim Erzählen werden gute Erinnerungen noch lebendiger. Sie bekommen Farbe. Wenn andere zuhören und ihre Fragen und Erinnerungen dazu stellen, kommen längst vergessene Details ans Licht. Manchmal ist es auch gut, Erinnerungen aufzuschreiben. Vielleicht kommen sie in das Tagebuch? Vielleicht fließen sie in einen Brief hinein? Der Phantasie sind gar keine Grenzen gesetzt. Manche können Gedichte oder Reden daraus machen, Beiträge für ein festliches Zusammensein. Vielleicht fließen die Erinnerungen einfach zusammen in dem schlichten Wort: "Danke!" Vielleicht wird es etwas Ausführlicheres. Und vielleicht wird es sogar zum Lied. Es kann ein eigenes sein. Oder eines von jemand anderem, ein mitreißendes. Mitsingen, mitsummen, es laut vor sich hinschmettern: Alles ist möglich. Viel Freude dabei!
Alles Gute für euch und für Sie!
Gabriele Koenigs
Hier können Sie das Lied "Halleluja" von Leonard Cohen hören. Die Kantorin einer jüdischen Gemeinde in Amerika und ihr Chor singen es. Sie haben die ersten Verse von Cohens Lied durch Verse
aus dem Psalm 150 ersetzt, die sie in hebräisch singen. Atemberaubend schön! Ab und zu können Sie bestimmt das Halleluja mitsingen!
Diese Aufnahme stammt aus einem Solidaritätskonzert für die Menschen in Israel. Es fand im Mai 2024 statt.
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