
Diese Woche war übervoll. Eigentlich hätte ich meinen Sonntagsbeitrag schon am Anfang der Woche entwerfen müssen. Denn am Freitag begann ein Wochenend- Aquarellkurs. Während ein Kurs stattfindet, bleibt mir überhaupt keine Zeit für irgendetwas anderes. Das Unterrichten fordert mich ganz und gar. Auch die Abende sind vom Kurs belegt. Ich sah schon kommen, dass ich in Schwierigkeiten geraten werde, wenn dieser Beitrag nicht bis Freitagmorgen fertig ist. Ich probierte immer mal wieder etwas. Aber es kam keine zündende Idee und keine spannende Geschichte. So stand ich schließlich mit nichts da.
Ich habe es nicht geschafft. Es ist gar nicht so einfach, so etwas zuzugeben. Es ist mir peinlich. Eigentlich möchte ich hinbekommen, was ich mir vorgenommen habe. Ich möchte erfüllen, was ich versprochen habe.
Wahrscheinlich kennen Sie alle solche Situationen und dieses peinliche Gefühl. Wir wollen nicht als Versager dastehen. Und wir wollen niemanden enttäuschen. Und wir wollen unsere eigene Ratlosigkeit nicht spüren.
"Ich verurteile dich nicht", hat die ewige Liebe in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu mir gesagt. "Du hast es nicht geschafft. Das heißt aber nicht, dass du eine Versagerin bist. Und es heißt auch nicht, dass du es nie mehr schaffen wirst. Es ist einfach diese Woche so. Steh zu dir. Steh zur Wahrheit. Das ist jetzt das Beste."
Mitten in der Nacht habe ich begriffen, dass genau dies jetzt dran ist. Zugeben, wie es ist. Die Wahrheit aussprechen. Zur Wahrheit stehen. Als ich das endlich begriffen hatte, wurde es mir leichter. Jesus hat einmal gesagt: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen."
"Ich habe es nicht geschafft." Das ist eine ehrliche Aussage. Sie schafft eine gute Basis für ein Miteinander. Das ist viel besser als darum herum reden, beschönigen und vertuschen. Schlicht und einfach zur Wahrheit stehen. Das ist heute für mich dran.
Und es ist auch für uns als Gesellschaft dran. Es ist auch für die Kirche dran. Wir haben es nicht geschafft, ein Erstarken der Rechtsradikalen zu verhindern. Wir haben es nicht geschafft, den Wohlstand so zu verteilen, dass niemand hungern muss und ohne Obdach ist. Wir haben es nicht geschafft, die Menschen aus anderen Ländern, die bei uns leben und arbeiten, wirklich zu integrieren. Wie wäre es, wenn wir dies ganz ehrlich zugeben würden, vor uns selbst und vor den anderen? Wie wäre es, wenn wir zu dieser Wahrheit stehen?
Unter uns ist so viel Gewalt, Feindseligkeit und Respektlosigkeit entstanden. Wir alle sind daran beteiligt. Wir könnten sagen: "Daran sind nur die anderen schuld". Wir könnten irgendwelche Sündenböcke dafür suchen. Manche tun das. Aber es ist nicht ehrlich. Und es macht gar nichts besser.
Wir brauchen jetzt die Hilfe "von oben". Wir brauchen sie wirklich. Wir brauchen Weisheit und Mut. Wir brauchen den Frieden, der höher ist als unsere Vernunft. Wir brauchen das Gottvertrauen, das uns vor Verzweiflung bewahrt. Wir brauchen die Liebe, die uns herausholt aus unseren Sackgassen und uns neue Wege zeigt.
Die göttliche Liebe hört niemals auf. Sie ist größer als unser Versagen. Sie nimmt uns an, so wie wir sind. Sie holt uns heraus aus der Scham und aus der Lähmung. Sie macht uns frei. Sie lehrt uns, die anderen anzunehmen und auch uns selbst. Sie lehrt uns Barmherzigkeit.
Ich vertraue der göttlichen Liebe. Ich vertraue darauf, dass sie mich versteht. Darum wage ich, zu mir und zur Wahrheit zu stehen. Und ich möchte auch Sie und Euch dazu ermutigen.
Alles Liebe und Gute für Sie und für Euch!
Gabriele Koenigs
Hier können Sie eine Arie aus einer Bachkantate hören: "Sende deine Macht von oben...". Es ist sehr schön gesungen und musiziert.
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Und hier gibt es ein Lied, das im Zusammenhang mit dem Weltgebetstag der Frauen entstanden ist. Irmgard Spieker hat es gedichtet. "Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut..." Dies Lied steht auch im evangelischen Gesangbuch. Es ist ein sehr schlichtes Lied. Die Stärke besteht darin, dass es so ehrlich ist. Darum mag ich es sehr.
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Angelika Marte (Sonntag, 19 Januar 2025 09:48)
Heute m u s s ich antworten... !
Jeden Sonntag, wenn ich Ihre ERMUTIGUNGEN lese, möchte ich Ihnen am liebsten gleich eine Rückmeldung geben und mich bedanken. Aber ich habe es bisher nicht geschafft, weil mir der Sonntagmorgen dafür keine Zeit lässt. Ich nehme aber stets Ihre ERMUTIGUNG mit in den Tag !
"Ich habe es nicht geschafft " - wie oft erfahre ich das in letzter Zeit. Ja, und ich lerne auch mehr und mehr, dazu zu stehen.
SIE teilen uns aber nicht nur mit, dass Sie es nicht geschafft haben, sondern schreiben über dieses Thema noch viel Interessantes und Ermutigendes !
Sie hätten doch auch einfach schreiben können, dass Sie es nicht geschafft haben und sich auch damit in Verbindung setzen mit uns !!
Darf man sich nicht auch einmal den Mitmenschen zumuten mit leeren Händen ?
Schöne Sonntagsgrüße !
Angelika Marte
Robert (Sonntag, 19 Januar 2025 16:25)
Bei dieser Ermutigung - und zum Thema Ehrlichkeit - sind mir 2 Begebenheiten eingefallen:
1. Ich höre relativ oft in SWR1 Rheinland-Pfalz das Mittagsquiz ABC-Champion.
Vor einiger Zeit war ein Kandidat, der gescheitert ist und dann sagte: "Okay. Das war jetzt nix."
Der Moderator meinte (sinngemäß): "Toll! In der Öffentlichkeit ehrlich zu sagen 'Das war nix.' Das gibt es wirklich selten. Das würde ich mir auch mal von Politikern wünschen."
2. Vor vielen Jahren war in der ZEIT ein Artikel, darüber, wie schwer es ist zu sagen "Ich weiß nicht." Oft wird - lt. diesem Artikel - auf Fragen ausweichend reagiert, z.B. mit "Könnten Sie die Frage weiter präzisieren?" oder "Die Datenlage lässt eine Beantwortung der Frage nicht zu." oder - etwas krasser - "Bin ich allwissend/Prophet/...spezialist?".
Vielleicht ermutigen Deine Ermutigungen, Gabriele, auch dazu, ehrlicher zu sein. Wäre schön!
Gruß aus der Kurpfalz!
Gabriele Koenigs (Montag, 20 Januar 2025 12:10)
Lieber Robert, danke für diesen guten Kommentar! Ja, ich wünsche mir auch Politiker, die ehrlich zugeben, dass sie etwas nicht können und wissen. Und ich wünsche mir diesen Mut für uns alle. Es hat sich in unserem Umgang eingeschlichen, dass wir uns vor den anderen mit den Erfolgen brüsten und die Niederlagen unerwähnt lassen. Das hat eine solche Unehrlichkeit in die Kommunikation gebracht! Was wir uns von anderen wünschen, tun wir nun selbst, getreu dem Motto von Gandhi: "Be the change you want to see in the world!"
Ganz liebe Grüße
Gabriele
Gabriele Koenigs (Montag, 20 Januar 2025 12:14)
Liebe Frau Marte, vielen Dank für Ihren liebevollen Kommentar. Danke für alles, was Sie geschrieben haben. Ich bin der Meinung, dass jede Erfahrung - auch die Erfahrung von Bedürftigkeit und Scheitern - etwas in sich trägt, aus dem wir lernen können. Darum habe ich meine Erfahrung zum Anlass genommen, um ein paar Sätze darüber zu schreiben. Aus den Nachrichten, die ich daraufhin bekommen habe, habe ich gemerkt, dass dies für einige Menschen wichtig war. Wichtiger als wenn ich nur geschrieben hätte: Ich schaffe es heute nicht...
Ganz liebe Grüße und die allerbesten Wünsche für Sie!
Gabriele Koenigs