Vor zwei Wochen bin ich morgens im Bad auf einer Wasserpfütze ausgerutscht. Dabei habe ich mir den kleinen Zeh am linken Fuß gebrochen. Es war schmerzhaft. Im
Krankenhaus wurde ich gut versorgt. Aber man kann einen Zehen gar nicht eingipsen. Ich bekam nur einen Pflasterverband und Schmerztabletten und die Anweisung, den
Fuß so gut wie möglich zu schonen. Ich habe auch schnell gemerkt, dass ich überhaupt nicht in einen Schuh schlüpfen kann. Nun war "Hausarrest" angesagt, und Füße
hoch. War das Pech? Oder war es Glück? Wer kann das wissen?
Jedenfalls habe ich die Zeit genutzt, um ganz viel an meinem neuen Buch zu arbeiten. Und seit Karfreitag war ich an jedem Tag im Atelier und erlebte, wie ganz
allmählich das neue Osterbild Gestalt gewann. Ich hatte unendlich viel Zeit, um darüber zu sinnieren und immer wieder Veränderungen vorzunehmen. Von Tag zu Tag hat
es sich verändert. Es fühlt sich so an, als sei es nun fertig.
Vor ein paar Wochen haben mein Mann und ich die Kirche in Schwaigern, in der meine neue Ausstellung stattfinden wird, besichtigt und ausgemessen. Ich fühlte schon
damals den Wunsch in mir, dass ein besonderes neues Bild für diese Ausstellung entstehen sollte. Und ich wünschte mir, dass es besonders groß sein soll. Denn
Bilder in einer normalen Größe fallen in diesem gewaltigen Kirchenraum gar nicht auf. Aber ich hatte keine Ahnung, wann ich für so einen Schaffensprozess Zeit
haben sollte. Die nächsten Wochen sind schon so verplant. Im Handumdrehen ist es Ende Juni. Nun war die Zeit auf einmal da, völlig ungeplant. Es war und ist ein
großes Glück. Ich bin unendlich dankbar dafür.
Heute fiel mir eine Geschichte ein, die mir schon lange imponiert. Der Weisheitslehrer Anthony de Mello ist zugleich ein Geschichtenerzähler. Er hat diese
Geschichte zuerst erzählt. Als ich Krankenhauspfarrerin war, habe ich sie manchmal auch den Patienten dort erzählt.
" Ein alter Bauer hatte ein altes Pferd für die Feldarbeit. Eines Tages entfloh das Pferd in die Berge, und als alle Nachbarn des Bauern sein Pech bedauerten,
antwortete der Bauer „Ist's Pech? Ist's Glück? Wer weiß?"
Eine Woche später kehrte das Pferd mit einer Herde Wildpferde aus den Bergen zurück, und diesmal gratulierten die Nachbarn dem Bauern wegen seines Glücks. Seine
Antwort hieß: „Ist's Pech? Ist's Glück? Wer weiß?"
Als der Sohn des Bauern versuchte, eines der Wildpferde zu zähmen, brach er sich ein Bein. Jeder hielt das für ein großes Pech. Der Bauer sagte nur: „Ist's Pech?
Ist's Glück? Wer weiß?"„
Ein paar Wochen später marschierte die Armee ins Dorf und zog jeden tauglichen jungen Mann ein, den sie finden konnten. Als sie den Bauernsohn mit seinem
gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn zurück. „Ist's Pech? Ist's Glück? Wer weiß?"
Anthony de Mello, aus: Weisheit für die Seele, Sonderband 2007, Hg. v. Sylvia Müller und Ulrich Sander, Herderverlag 2007
Wahrscheinlich ist es gut, wenn wir nicht so schnell Wertungen bereit haben für das, was geschieht. Ist' Pech? Ist's Glück? Wer weiß? Manchmal kann es beides
zugleich sein.
Dietrich Bonhoeffer hat im Gefängnis ein Glaubensbekenntnis geschrieben. Dies möchte ich Ihnen und Euch allen heute zum Nachdenken mitgeben.
"Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten
dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf
uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet."
Alles Liebe und Gute für Sie und für Euch!
Gabriele Koenigs
P.S: Ich freue mich sehr, wenn mir manche Leute ein paar Gedanken zu meinem neuen Bild schreiben. Ich selbst muss erst noch die Sprache dafür finden. Und: Mein Zeh
heilt schon. Keine Sorge! Bald werde ich wieder in einen Schuh hineinkommen.
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Gudrun Specht (Sonntag, 27 April 2025 07:54)
Ja, so lädt uns der mächtige VATERGOTT in Sein Haus ein: mit weit ausgebreiteten Armen.JESUS sagte:“Kommt her alle.,,,
Dein festliches Bild atmet Liebe und Frieden! Der Wunder voll!
Ein Gemälde, das zu Herzen geht und dein Text dazu, ebenso.
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